Der Rand als Schnitt der Abschlüsse von Menge und Komplement

Sei \( A \) eine Teilmenge eines topologischen Raums \( X \). Der Rand \( \partial A \) lässt sich elegant beschreiben: Er besteht aus allen Punkten, die sowohl im Abschluss von \( A \) liegen als auch im Abschluss des Komplements. Mit anderen Worten gilt: $$ \partial A = \text{Cl}(A) \cap \text{Cl}(X \setminus A) $$

Diese Darstellung macht unmittelbar deutlich, was ein Randpunkt eigentlich ist. Er gehört nicht unbedingt zur Menge selbst, doch jede Umgebung eines solchen Punktes berührt sowohl die Menge \( A \) als auch ihre Außenseite. Er liegt gewissermaßen genau an der Schnittstelle zwischen innen und außen.

Die Formel zeigt also nicht nur eine elegante Identität, sondern vermittelt auch eine intuitive Vorstellung davon, wie Randpunkte entstehen.

Ein anschauliches Beispiel

Um die Idee greifbar zu machen, betrachten wir das Intervall \( A = (0, 1) \) auf der reellen Achse \(\mathbb{R}\).

Der Abschluss dieses Intervalls umfasst alle Punkte zwischen 0 und 1 einschließlich der beiden Endpunkte:

$$ \text{Cl}(A) = [0, 1] $$

Das Komplement von \( A \) in \(\mathbb{R}\) lautet \( (-\infty, 0] \cup [1, \infty) \), und sein Abschluss bleibt:

$$ \text{Cl}(\mathbb{R} \setminus A) = (-\infty, 0] \cup [1, \infty) $$

Die Schnittmenge der beiden Abschlüsse liefert dann den Rand:

$$ \partial A = [0, 1] \cap ((-\infty, 0] \cup [1, \infty)) $$

$$ \partial A = \{0, 1\} $$

Damit erkennen wir sofort, dass die Endpunkte 0 und 1 die einzigen Punkte sind, die sowohl mit dem Inneren des Intervalls als auch mit dessen Außenraum in Kontakt stehen.

Warum die Definition funktioniert

Die Randdefinition lässt sich direkt aus der Struktur eines topologischen Raums ableiten. Ein Punkt gehört genau dann zum Rand, wenn jede seiner Umgebungen sowohl die Menge selbst als auch deren Komplement trifft. Das bedeutet:

$$ \partial A = \{ x \in X \mid \forall U \in \mathcal{N}(x),\ U \cap A \neq \emptyset \ \text{und} \ U \cap (X \setminus A) \neq \emptyset \} $$

Damit wird ein Randpunkt durch sein lokales Verhalten charakterisiert. Er ist durch keine rein innere oder äußere Zugehörigkeit definiert, sondern durch die unausweichliche Berührung beider Seiten.

Zur Erinnerung fassen wir die grundlegenden Begriffe kompakt zusammen:

  • Der Abschluss \( \text{Cl}(A) \) umfasst alle Punkte, deren jede Umgebung die Menge \( A \) berührt:
    \[ \text{Cl}(A) = \{ x \in X \mid \forall U \in \mathcal{N}(x),\ U \cap A \neq \emptyset \} \]
  • Analog enthält der Abschluss des Komplements alle Punkte, deren Umgebungen das Komplement schneiden:
    \[ \text{Cl}(X \setminus A) = \{ x \in X \mid \forall U \in \mathcal{N}(x),\ U \cap (X \setminus A) \neq \emptyset \} \]

Der Beweis in zwei Schritten

Die Gleichheit der beiden Beschreibungen des Randes ergibt sich klar und strukturiert.

1] Jeder Randpunkt liegt in beiden Abschlüssen

Wenn ein Punkt \( x \in \partial A \) liegt, dann berührt jede seiner Umgebungen sowohl \( A \) als auch dessen Komplement. Damit muss er automatisch in beiden Abschlüssen liegen:

  • \( x \in \text{Cl}(A) \)
  • \( x \in \text{Cl}(X \setminus A) \)

Dies zeigt die Inklusion:

$$ \partial A \subseteq \text{Cl}(A) \cap \text{Cl}(X \setminus A) $$

2] Jeder Punkt, der in beiden Abschlüssen liegt, ist ein Randpunkt

Sei nun ein Punkt zugleich in \( \text{Cl}(A) \) und im Abschluss des Komplements. Dann berührt jede seiner Umgebungen sowohl \( A \) als auch den Außenraum. Das ist genau die Bedingung eines Randpunktes:

$$ x \in \partial A $$

Damit gilt auch:

$$ \text{Cl}(A) \cap \text{Cl}(X \setminus A) \subseteq \partial A $$

Fazit

Da beide Inklusionen erfüllt sind, folgt die Gleichheit:

$$ \partial A = \text{Cl}(A) \cap \text{Cl}(X \setminus A) $$

Die Charakterisierung über Abschlüsse ist nicht nur sauber formuliert, sondern vermittelt auch ein präzises geometrisches Bild: Der Rand besteht aus allen Punkten, an denen die Menge und ihr Außenraum untrennbar ineinandergreifen.

 


 

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